22. März 2023
Algorithmen erhellen Blitzstrukturen
Blitze sind ein Naturphänomen, das Menschen seit Jahrhunderten fasziniert. Das wissenschaftliche Verständnis der komplexen Strukturen von Blitzen ist jedoch aufgrund der riesigen Datenmengen eine Herausforderung. Forscher des FIAS und der Universität Groningen haben nun eine neuartige Methode entwickelt, um die Strukturen von Blitzen mit Hilfe von maschinellem Lernen zu verstehen. Mit diesem Wissen ließen sich eines Tages die von Gewittern ausgehenden Gefahren verringern.
Die Analyse von Blitzdaten kann sehr zeitaufwändig sein und beruht bisher auf Fotos, anhand derer Forschende die Struktur von Blitzen untersuchen. Ein einziger Blitz besteht aus Hunderten feiner und komplexer Strukturen und unzähligen unterschiedlichen Phänomenen.
Um dieser Herausforderung zu begegnen, entwickelten Lingxiao Wang und seine Kollegen Brian Hare, Horst Stöcker, Kai Zhou und Olaf Scholten eine neuartige Methode, um mit Hilfe von Algorithmen des maschinellen Lernens und Korrelationsanalysen Strukturen in Blitzdaten zu erkennen. Sie nutzten dafür Daten aus dem niederländisch-deutschen Radioteleskop LOFAR (Low Frequency Array), einem Netzwerk aus etlichen Einzel-Antennen. „Die Erforschung der Blitzstruktur ist der erste Schritt zum Verständnis des Auftretens und der Entwicklung von Blitzen“, erklärt Wang. „Wenn wir künftig diese extremen Phänomene besser verstehen, können wir Gefahren durch Blitzschläge besser einschätzen und vermeiden“.
Die Studie, veröffentlicht in der Fachzeitschrift Chaos, Solitons and Fractals, erhellt das Verständnis von Blitzstrukturen und gibt Einblicke in die komplizierten Korrelationsfunktionen für verschiedene Blitzphänomene. Der Einsatz von Algorithmen des maschinellen Lernens kann dazu beitragen, Strukturen anhand zahlreicher räumlich-zeitlicher Punkte in einem hochdimensionalen Raum zu identifizieren, was mit bloßem Auge sehr zeitaufwändig wäre. Diese neuartige Methode ist ein leistungsfähiges Werkzeug, um riesige multidimensionale Datensätze nach einzigartigen Strukturen zu durchsuchen.
Die Ergebnisse dieser Studie haben potenzielle Anwendungen über den Bereich der Physik hinaus. Die Kombination aus den in dieser Studie verwendeten Algorithmen (t-distributed stochastic neighbor embedding, t-SNE, und ein Clustering-Algorithmus) kann zur Suche nach einzigartigen Strukturen in großen multidimensionalen Datensätzen in Bereichen auch außerhalb der Physik eingesetzt werden – „beispielsweise Daten aus Biologie und Medizin, von Erdbeben oder zur menschlichen Mobilität“, so Wang.
Diese Forschung unterstreicht das Engagement des FIAS, wissenschaftliche Erkenntnisse durch innovative Forschungsmethoden voranzutreiben. Durch die Entwicklung neuer Werkzeuge und Techniken zur Analyse komplexer Datensätze leisten unsere Forscher einen wichtigen Beitrag zum Verständnis von Naturphänomenen.
Publikationen:
Lingxiao Wang, Brian M. Hare, Kai Zhou, Horst Stöcker und Olaf Scholten, Identifying Lightning Structures via Machine Learning, Chaos, Solitons & Fractals 170, 113346 (2023).
Brian M Hare, Olaf Scholten, Joseph Dwyer et al. Needle-like structures discovered on positively charged lightning branches, Nature, 2019, 568(7752): 360-363.
Einen kurzen TV-Beitrag dazu gibt es hier in der Sendung "Alle Wetter" des Hessischen Rundfunks.
Abbildung: Elektrische Ladung in der Atmosphäre erzeugt eine Spur geladener Luft von der Gewitterwolke zum Boden, den "Leiter" (leader). Ein neu entdecktes Phänomen sind kleine Bahnen aus geladener Luft, die "Nadeln“ (needles). Aus Blitzdaten von Radioteleskopen kann mit Hilfe künstlicher Intelligenz deren Feinstruktur berechnet werden. Das Foto wurde ebenfalls mit Künstlicher Intelligenz konstruiert (Lingxiao Wang).