9. August 2023
Das Netzwerk der spezifischen Immunantwort verstehen
Steinberg-Stiftungsfonds fördert Hendrik Schäfer
Der Rudolf-Steinberg-Stiftungsfonds förderte den Bioinformatiker Dr. Hendrik Schäfer am FIAS. Nun stellte Schäfer seine Erkenntnisse zu follikulären dendritischen Zellen vor, die netzwerkartige Strukturen in den Lymphknoten bilden und möglicherweise die Diagnose von Lymphknoten-Tumoren verbessern könnten. Den Karrierestart des herausragenden jungen Wissenschaftlers unterstützte der Steinberg-Fonds für ein halbes Jahr.
Das menschliche Immunsystem als komplexe, dezentrale Abwehr schützt uns effektiv vor verschiedenen Pathogenen. Dabei erlaubt die spezifische Immunantwort eine gezielte Bekämpfung. Und mit der Ausdifferenzierung zu Gedächtniszellen erhält der Körper ein immunologisches Gedächtnis als Schutz vor zukünftigen Infektionen.
Bei einer Immunantwort entstehen Keimzentren in Organen wie Lymphknoten und Milz. Die Lymphknötchen (Follikel) dort produzieren Antikörper. Der Fokus von Schäfers Forschung liegt auf follikulären dendritischen Zellen (FDC), die als netzwerkartige Struktur Form und Aufbau dieser Keimzentren maßgeblich bestimmen. FDCs sind an den meisten Prozessen der Keimzentrumsreaktion beteiligt. Sie steuern Signalproteine, präsentieren Antigene auf ihrer Oberfläche und dienen als Orientierungshilfe für Zellen, die sich entlang der Netzwerkstruktur bewegen. Trotz dieser wichtigen Rolle stehen FDCs bisher nicht im Fokus bei der Behandlung und Diagnose von Patienten. Die Arbeitsgruppe um FIAS-Senior Fellow Martin-Leo Hansmann, in der Schäfer arbeitet, vermuten, dass der Aufbau des FDC-Netzwerks und die Morphologie der Zellen detaillierte Informationen über den Zustand des Keimzentrums und dessen Immunfähigkeit liefern. Diese Informationen könnten helfen, veränderte Lymphknoten zu beurteilen und behandeln.
Schäfer entwickelte Methoden, um 3D-Gewebeschnitte von menschlichen Lymphknoten auszuwerten. Er bestimmte die Verteilung bestimmter Oberflächenmerkmale von Zellen im Keimzentrum und untersuchte die Netzwerkeigenschaften der FDCs. Verschiedene Eigenschaften wie Anzahl der Verzweigungen, Menge an FDC und weitere sind grafisch aufbereitet. Basierend auf den Eigenschaften wurden die Daten geclustert und so Subregionen im Keimzentrum charakterisiert. In der Abbildung sind die berechneten Cluster verschiedenfarbig dargestellt: Gleichfarbige Regionen im Keimzentrum weisen eine hohe strukturelle Ähnlichkeit auf, während unterschiedlich gefärbte Regionen sich in ihren Eigenschaften unterscheiden.
Abbildung: Berechnete Subregionen im Keimzentrum der Lymphknoten: Gleichfarbige Regionen im Keimzentrum weisen eine hohe strukturelle Ähnlichkeit auf. © Hendrik Schäfer
Die unterschiedliche Struktur im FDC-Netzwerk spiegelt wahrscheinlich die Funktion und Aufgabe der jeweiligen Region wider. In Fortsetzung des Projekts wertet Schäfer 3D- und 4D-Aufnahmen aus, die das FDC-Netzwerk in Korrelation zu weiteren Zelltypen, wie T-/B-Zellen und Makrophagen, darstellen. Mikroskopische 3D-Aufnahmen ermöglichen es, diese zu quantifizieren und Zellkontakte zu beobachten. 4D erweitert diese Möglichkeiten um die Zellbewegung, die bei der Signalweitergabe eine wichtige Rolle spielt. Das Zusammenspiel der Immunzellen und der Funktion und Organisation der FDCs erlaubt die effektive Immunantwort im Keimzentrum. Bei Lymphom-Patienten beispielsweise ist das Gewebe im Lymphknoten durch maligne Zellen dereguliert und Kompartiments- und Gewebestrukturen sind teilweise oder ganz zerstört. Der Vergleich von malignen zu lediglich entzündeten Lymphknoten soll es ermöglichen, die Restfähigkeit der Keimzentrumsreaktion zu bewerten und Pathologen somit bei der Diagnose von Lymphomen unterstützen. „Unser Ziel ist es, das System auf Basis menschlicher Daten vollständig zu verstehen“, erklärt Schäfer. Dieses Wissen könne eines Tages in die Behandlung von Lymphomen einfließen.
Dr. Hendrik Schäfer (38) studierte und promovierte in Bioinformatik an der Goethe-Universität Frankfurt. Er arbeitete als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Frankfurter Universitätsklinikum und an der Charité in Berlin. Seit Anfang dieses Jahres forscht er am FIAS in der Arbeitsgruppe von Senior Fellow Martin-Leo Hansmann, gefördert vom Rudolf-Steinberg-Stiftungsfonds.