25. November 2020

Deep Learning Simulationen in der Hochenergiephysik

Neue Modelle ermöglichen schnellere Analyse von Kollisionsereignissen

Um die bei Hochenergie-Experimenten anfallende Datenmenge besser nutzen zu können, wurde von Wissenschaftlern des Frankfurt Institute for Advanced Studies eine neue Deep Learning (DL) Analysemethode entwickelt. Die auf der PointNet-Architektur basierenden Modelle ermöglichen eine schnelle Online-Analyse von Kollisionsereignissen bei Ereignisraten von mehreren Millionen Kollisionen pro Sekunde. Hierzu wurde die Bestimmung der Zentralität von Teilchenkollisionen am Compressed Baryonic Matter Experiment (CBM)-Experiment der FAIR-Anlage, welche sich momentan in Darmstadt am GSI Helmoltzzentrum für Schwerionenforschung im Aufbau befindet, beispielhaft untersucht.

Am CBM Experiment soll eine der zentralen Fragen in der Physik, die Erzeugung der Masse von Atomkernen beantwortet werden. Hierzu gibt es viele Theorien, für die es aber noch keine umfassende experimentelle Bestätigung gibt. Mit der Facility for Antiproton and Ion Research (FAIR) in Darmstadt wird gerade eine neue Beschleunigeranlage gebaut, die es unter anderem zum Ziel hat, diese Frage zu klären. Dort entsteht auch das CBM-Experiment, welches die Eigenschaften von Hadronen (z. B. Neutronen und Protonen) in einer Umgebung, die dem Vielfachen der Dichte von Atomkernen entspricht, untersuchen soll. So eine stark verdichtete Kernmaterie entsteht nur bei hochenergetischen Kollisionen von ionisierten Atomkernen und existiert nur für winzige Sekundenbruchteile. Die aus diesen Kollisionen erzeugten elementaren Teilchen können mit dem CBM Detektor erfasst und untersucht werden. Eine einzigartige Eigenschaft des neuen CBM Experiments ist es, dass mehrere Millionen solcher Kollisionsereignisse pro Sekunde erzeugt und aufgenommen werden können. Dieser extrem große Datenstrom erfordert eine ultraschnelle Echtzeit-Analyse. Dazu werden komplett neue Analysemethoden benötigt. Wissenschaftler des FIAS haben nun eine neue Methode zur Ereignis-Charakterisierung auf der Basis von Deep Learning Methoden entwickelt. Diese neue Methode der Ereignisklassifizierung erweist sich als genauer und weniger modellabhängig als herkömmliche Methoden und nutzt modernste GPU-Prozessoreinheiten zur Leistungssteigerung.

Die von Manjunath Omana Kuttan und seine Kollegen verwendeten PointNet Modelle basieren auf einer eine Deep-Learning-Architektur, die für das Lernen aus Punktwolkendaten optimiert ist. Punktwolken sind Ansammlungen ungeordneter Punkte im Raum, wobei jeder Punkt die Multi-dimensionalen Eigenschafteneines Elements darstellt, das zur kollektiven Struktur der Wolke beiträgt. Im Fall einer Schwerionenkollision entsprechen diese Punkte zum Beispiel den Eigenschaften von Teilchenspuren im CBM Detektor.

Für ihre Studie haben die Forscher das ebenfalls am FIAS mitentwickelte UrQMD-Modell und die Detektorsimulation von CBM verwendet, um Gold-Gold-Kollisionsereignisse bei einer Energie von 10 AGeV zu erzeugen. Diese konnten dann zum Training der PointNet-basierten Architekturen verwendet werden. Die Modelle wurden anhand von Merkmalen wie den Trajektorien von Teilchen in den CBM-Detektorebenen trainiert. In Zukunft soll ermöglicht werden, die entwickelten Modellarchitekturen auch in anderen Schwerionen-Kollisionsexperimenten einzusetzen, z.B: ALICE am Large Hadron Collider (LHC) oder HADES am SIS18 der GSI. Die Forscher erhoffen sich dabei, die Entwickelten Deep-Learning Modelle für die Analyse einer Vielzahl von verschiedenen Eigenschaften der Kern-Kollisionen verallgemeinern zu können.

Weitere Informationen:

Originalpublikation:

Manjunath Omana Kuttan, Jan Steinheimer, Kai Zhou, Andreas Redelbach, Horst Stoecker,

"A fast centrality-meter for heavy-ion collisions at the CBM experiment", Physics Letters B, Volume 811, 2020, 135872, ISSN 0370-2693, https://doi.org/10.1016/j.physletb.2020.135872

Bild:

Visualisierung einer Punktwolke aller Treffer im STS-Detektor des CBM-Experiments. 

Quellen: 

Zum CBM Experimenthttps://www.cbm.gsi.de

Visualisierung DL in CBM
© FIAS/CBM Experiment
Visualisierung einer Punktwolke aller Treffer im STS-Detektor des CBM-Experiments. Die Deep Learning-Modelle lernen, aus dieser Punktwolke den Aufprallparameter zu bestimmen.