25. Februar 2025

Erkenntnisse zur Kreativität: übergreifende ‚Karten‘ in unserem Gehirn

Kreatives Denken nutzt bestimmte Muster zur Speicherung von Informationen

Unser Gehirn bildet seine Umwelt sehr individuell ab. Nicht nur komplexe Zusammenhänge etwa in der Sprache, sondern bereits abstrakte Töne repräsentiert es unterschiedlich. Das zeigt ein Wissenschaftlerteam vom FIAS zusammen mit Kollegen aus Mainz in einer aktuellen Studie. Die „Gehirnkarten“ für Geräusche und Satzstrukturen sind für Menschen individuell und sagen ihre kreativen Fähigkeiten vorher. Diese Erkenntnis vereinfacht psychologische Untersuchungen und ermöglicht Studien zur Kreativität bei Tieren oder zu künstlicher Intelligenz.

Die uns umgebende Welt ist im Netzwerk unseres Gehirns abgebildet. Aber Menschen sortieren Eindrücke unterschiedlich – und auch unterschiedlich effizient. Studien zeigen, dass wir Wörter und komplexe Sprache in bestimmten „Karten“ im Gehirn ablegen. Ein gemeinsames Forscherteam vom FIAS und der Universität Mainz weist nun nach, dass dies auch für einfachere Strukturen gilt. Sie nutzten Tonsignale, „Piep-Töne“, um dies auch für niedrige Wahrnehmungsebenen zu untersuchen. 

Am Institut für Physiologie der Universität Mainz bekamen 148 Probanden sowohl anspruchsvolle Wortpaare als auch einfache Töne vorgespielt, deren wahrgenommene Ähnlichkeiten sie bewerten sollten. Die Forschenden am FIAS werteten die daraus gewonnenen Daten in aufwendigen Rechenprozessen aus. „Die Gemeinsamkeiten zwischen simplen Hörereignissen und komplexen sprachlichen Prozessen sind höher als erwartet“, schildert FIAS-Doktorand Jonas Elpelt seine Auswertungen, wie Menschen Töne und Wörter sortieren. Offensichtlich hat jedes Gehirn eine persönliche und die Hirnbereiche übergreifende „Kartenstruktur“. Diese Verarbeitungsform ist eine wichtige und charakteristische Grundlage für kreatives Denken.

Denn aktuelle Untersuchungen deuten darauf hin, dass diese „Kartenstruktur“ die Fähigkeit einer Person widerspiegelt, kreative Assoziationen zu bilden. Bisher war dies nur für komplexe sprachliche Zusammenhänge nachgewiesen. Nach den neuen Erkenntnissen könnten bereits einfache Wahrnehmungen – wie eben simple Pieptöne – Aufschluss über kreative Fähigkeiten geben. „Unsere Ergebnisse weisen auf eine gemeinsame Repräsentationsarchitektur für jedes Individuum hin, die Wahrnehmung und Assoziation über verschiedene Modalitäten hinweg verbindet und so kreatives Denken und Verhalten prägt“, schreibt das Autorenteam.

Das könnte Experimente zur Kreativität vereinfachen. Zudem könnte sich diese Erkenntnis auf das Verhalten von Tieren übertragen und anwenden lassen, denn offensichtlich sind keine Sprachkenntnisse nötig, um die Grundlagen kreativen Verhaltens nachzuweisen. Zur Bestätigung sollen die aus Verhaltensversuchen gewonnenen Daten auch mit neuronalen Untersuchungen ergänzt werden. Die Ergebnisse könnten auch dem tieferen Verständnis in künstlichen intelligenten Systemen dienen und deren menschlich-inspirierte Kreativität erhöhen. 

 

Publikation:

Seiler, Johannes P. H., Elpelt, Jonas, Ghobadi, Aida et al. Perceptual and semantic maps in individual humans share structural features that predict creative abilities. Commun Psychol 3, 30 (2025). https://doi.org/10.1038/s44271-025-00214-9


weitere Informationen

Sowohl einfache abstrakte Pieptöne als auch komplexe Wörter mit konkreter sprachlicher Bedeutung präsentiert das Gehirn in „Karten“, deren gemeinsame Eigenschaften Rückschlüsse auf die individuelle Kreativität erlauben. (Abb.: Jonas Elpelt)