23. Januar 2024

Fortschritte in der Erforschung von Gravitationswellen

FIAS-Wissenschaftler nutzen Deep Learning, um die Geheimnisse des Kosmos zu entschlüsseln

Die direkte Beobachtung von kosmischen Ereignissen wie der Verschmelzung von Schwarzen Löchern oder Neutronensternen stellte lange Zeit eine wissenschaftliche Herausforderung dar. Elektromagnetische Strahlung (wie Licht) kann durch Staub, Gas und andere Objekte im Universum beeinträchtigt werden, aber Gravitationswellen durchdringen diese Hindernisse. So können wir genauere Informationen über weit entfernte Ereignisse erhalten. In einer neuen Studie hat die Doktorandin Shriya Soma zusammen mit Dr. Kai Zhou und Prof. Dr. Dr. hc mult. Horst Stöcker vom Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) einen weiteren Schritt für ein besseres Verständnis von Gravitationswellen gemacht, indem sie erfolgreich Deep Learning (DL) zur Analyse von Gravitationswellen aus Binärverschmelzungen einsetzten.

Das Team verwendete eine alternative Nachweismethode von Gravitationswellen. Mit Deep Learning(DL)-Methoden klassifizierten und analysierten sie simulierte Signale von binären schwarzen Löchern, binären Neutronensternen und Rauschsignale. Während die Klassifizierung von Signalen aus verschiedenen Quellen bereits von anderen Forschergruppen mittels DL durchgeführt wurde, konzentrierte sich Shriya Soma auf die Schätzung entscheidender Parameter aus Signalen von Verschmelzungen binärer Neutronensterne. Die entwickelten DL-Methoden sind nicht nur rechnerisch effizient, sondern ermöglichen auch genauere Schätzungen der Massen und Gezeitendeformierung von Neutronensternen - zwei Schlüsselparameter für die Untersuchung des Verhaltens dieser dichten Himmelskörper und der Eigenschaften von stark wechselwirkender Materie unter extremen Bedingungen. 

Gezeitenbedingte Verformungen

Wenn ein Neutronenstern in die Nähe eines anderen massereichen Objekts kommt, z. B. eines anderen Neutronensterns oder eines Schwarzen Lochs, wird er durch dessen Gezeitenkräfte verformt. Der Begriff "Gezeitendeformierbarkeit" wird verwendet, um zu beschreiben, wie stark ein Neutronenstern auf diese Kräfte reagiert und wie leicht er verformt werden kann. Sie ist daher ein wichtiger Parameter, um das Verhalten extrem dichter Materiezustände in Neutronensternen zu verstehen und Einblicke in die grundlegenden Eigenschaften astrophysikalischer Objekte zu erhalten.   

Die Ergebnisse der Arbeit unterstreichen das Potenzial von Deep Learning-Methoden für die Weiterentwicklung der Gravitationswellenanalyse. Insbesondere die in dieser Arbeit entwickelten Methoden zur Signaldetektion und Parameterschätzung können in Zukunft kombiniert werden, um eine ganzheitliche Lösung für die Analyse von Gravitationswellensignalen zu finden. 

Als interdisziplinäres Forschungsinstitut hat sich das FIAS schon früh mit der Anwendung von künstlicher Intelligenz in verschiedenen Forschungsbereichen, insbesondere in der Physik, beschäftigt. Mit ihrem Ansatz gelang es den Forschenden des Instituts, die rechnerischen Herausforderungen herkömmlicher Analysemethoden zu umgehen. Die Arbeit wurde in der renommierten Zeitschrift Journal of Cosmology and Astrophysics veröffentlicht.

Weitere Informationen:

Publikation:

Mass and tidal parameter extraction from gravitational waves of binary neutron stars mergers using deep learning , Shriya Soma et al JCAP01(2024)009

https://doi.org/10.1088/1475-7516/2024/01/009



Notronensternkollision
© ESA, CC BY-SA 3.0 IGO
Künstlerische Darstellung von zwei Neutronensternen - den kompakten Überresten ehemals massereicher Sterne -, die sich kurz vor ihrer Verschmelzung spiralförmig aufeinander zubewegen. Die Kollision dieser dichten, kompakten Objekte erzeugte Gravitationswellen - Fluktuationen im Gewebe der Raumzeit -, die von der LIGO/Virgo-Kollaboration am 17. August 2017 entdeckt wurden. Wenige Sekunden danach entdeckten die ESA-Satelliten Integral und Fermi der NASA einen Ausbruch von Gammastrahlen, dem leuchtenden Gegenstück zu den Gravitationswellen, die von dem kosmischen Zusammenstoß ausgesandt wurden.