3. November 2022
Gratulation zur Promotion an Pavel Kisel!
Pavel Kisel aus der Arbeitsgruppe von Ivan Kisel verteidigte seine Arbeit am 3. November. In seiner Promotion untersuchte er "seltsame Teilchen".
Derzeit wird das Schwerionen-Experiment CBM (Compressed Baryonic Matter) an der im Bau befindlichen FAIR-Beschleunigeranlage in Darmstadt vorbereitet. Dabei werden die Goldkerne des Strahls mit den Goldkernen des Targets bei relativ niedrigen Energien kollidieren, aber dabei sehr hohe Baryonendichten im Inneren der kollidierenden Kerne erzeugen. Es wird erwartet, dass ein solcher hochkomprimierter Zustand der Materie dem Zustand der Materie im Zentrum von Neutronensternen entspricht, also im letzten Stadium der Entwicklung schwerer Sterne, bevor sie sich in Schwarze Löcher verwandeln.
Um solche Prozesse genau untersuchen zu können, muss nicht nur ein einzigartiges Experiment aufgebaut werden, sondern auch mathematisch präzise Algorithmen für die Analyse dieser seltenen physikalischen Prozesse entwickelt werden. Zu diesem Zweck wurde am FIAS ein Softwarepaket mit schnellen Algorithmen FLES (First Level Event Selection) entwickelt, mit den notwendigen Algorithmen.
Die Entwicklung eines der Module des FLES-Pakets war das Thema der Dissertation von Pavel Kisel, KF Particle Finder: Missing Mass Method for reconstruction of strange particles in CBM (FAIR) and STAR (BNL) experiments. "Seltsame Teilchen" wurden unmittelbar nach ihrer Entdeckung so benannt, weil sie seltsame Eigenschaften haben: Zum Beispiel werden sie immer paarweise geboren, wie das Kaon 𝝟 zusammen mit dem Lambda 𝝠, obwohl sie kein Teilchen und kein Antiteilchen sind. Auch ihre Lebensdauern sind recht lang. Die Erklärung dafür war das später entdeckte Vorhandensein eines seltsamen Quarks s in ihrer Struktur.
"Seltsame Teilchen" spielen als Signalteilchen eine wichtige Rolle bei der Untersuchung der Eigenschaften des Quark-Gluon-Plasmas, das sich bei relativistischen Kollisionen schwerer Ionen bilden kann. Da ihre Lebensdauer lang genug ist, können sie im Detektorsystem des Experiments registriert werden, bevor sie zerfallen. Zum Beispiel zerfällt das "seltsame Teilchen" Sigma 𝝨- in ein Pion 𝝿- und ein Neutron n. In diesem Fall können Sigma 𝝨- selbst und sein Tochterteilchen, das geladene Pion 𝝿-, im Detektor registriert und ihre Spurparameter durch Algorithmen zur Bearbeitung experimenteller Daten berechnet werden. Mit Hilfe der Energie- und Impulserhaltungssätze lassen sich auch die Parameter des neutralen Teilchens bestimmen, einschließlich seiner fehlenden Masse bei diesem Zerfall. Folgt man der Hypothese, dass es sich bei dem neutralen Teilchen um das Neutron n handelt, kann man sowohl die Parameter als auch die Art des zerfallenen fremden Teilchens, in diesem Fall das Sigma 𝝨-, präziser bestimmen.
Somit ist die Methode der fehlenden Masse tatsächlich die einzige Möglichkeit, das seltsame Sigma-Minus-Teilchen zu finden, da es in 99,8 % der Fälle zu Pion-Minus und Neutron zerfällt. Die Methode der fehlenden Masse erweitert auch die Möglichkeit, andere seltsame Teilchen zu finden und zu rekonstruieren, ähnlich wie es für das Sigma 𝝨- der Fall ist.
Trotz der Einfachheit der Formulierung erfordert die Umsetzung der Methode der fehlenden Masse den Einsatz recht komplexer Mathematik, um die Parameter aller beteiligten Teilchen auf der Grundlage experimenteller Messungen genau zu schätzen. Um schnell in Echtzeit arbeiten zu können, nutzen alle Algorithmen die Möglichkeiten moderner Many-Core-Computerarchitekturen optimal aus.
Die Methode der fehlenden Masse wurde ursprünglich für das CBM-Experiment entwickelt, wiederholt an simulierten experimentellen Daten getestet und dann erfolgreich auf reale Daten des STAR-Experiments angewandt, wodurch ihre Zuverlässigkeit und hohe Effizienz unter Beweis gestellt wurde. In Zukunft kann die Methode der fehlenden Masse auch in anderen Experimenten, insbesondere im ALICE-Experiment, eingesetzt werden.