14. November 2023
Messrekord am CERN-Beschleuniger - Datenverarbeitung mit FIAS-Unterstützung
Den Urknall nachahmen
Neuer Messrekord am CERN-Beschleuniger, aufgezeichnet mit dem ALICE-Detektor. Die Datenmengen verarbeitet ein Rechencluster unter Leitung von FIAS-Senior-Fellow Volker Lindenstruth.
Nach fünf Jahren Pause wurden mit dem großen Beschleuniger LHC am internationalen Forschungsinstitut CERN wieder Blei-Ionen zur Kollision gebracht. Dabei löst sich die kollidierende Materie für extrem kurze Zeit in ihre Bestandteile auf und erreicht so einen Zustand wie das Universum Millionstel Sekunden nach dem Urknall. Die Teilchenspuren der Kollisionen zeichnet der haushohe ALICE-Detektor auf, an dessen Verbesserung Forschende von FIAS und Goethe-Universität mitgearbeitet haben. Schon im ersten Monat wurde ein neuer Rekord aufgestellt: Es wurden 20-mal mehr Kollisionsereignisse aufgezeichnet als in den Datennahmeperioden der vergangenen Jahre zusammen.
Zwischen Ende September und Ende Oktober erzeugte der Beschleuniger am Europäischen Kernforschungszentrum CERN in Genf Blei-Ionen-Kollisionen mit der bisher weltweit höchsten Kollisionsenergie von 5,36 Terraelektronvolt pro zusammenstoßender Kernteilchen (Nukleon-Nukleon-Kollision). Nicht nur die Kollisionsenergie, sondern auch die Kollisionsraten wurden deutlich erhöht. So zeichnete der spezialisierte ALICE-Detektor 20 Mal mehr Ereignisse auf als in den vier einmonatigen Datennahmeperioden seit 2010 zusammen.
Dies ist wichtig, da bei den Kollisionen in kürzester Zeit ungeheuer viele Teilchen neu entstehen und wieder zerfallen. Die Aufzeichnung der Spuren dieser Teilchen lässt Rückschlüsse darauf zu, was im Moment des Zusammenpralls und kurz danach genau passiert: Die Teilchen lösen sich in ihre elementaren Bestandteile – Quarks und Gluonen – auf und bilden eine Art „Materiesuppe“, das Quark-Gluon-Plasma. Unmittelbar danach entstehen wieder neue, sehr instabile Teilchen, die sich in komplexen Zerfallsketten schließlich in stabile Teilchen umwandeln. Auf diese Weise untersuchen die Forschenden des ALICE-Experiments die Eigenschaften von Materie, wie sie kurz nach dem Urknall vorgelegen hat.
An den Experimenten sind Frankfurter Forschungsgruppen beteiligt. Der neue Rekord wurde möglich, weil der weltweit stärkste Teilchenbeschleuniger, der Large Hadron Collider (LHC), in einer vierjährigen Umbauphase noch einmal verbessert werden konnte. Auch der ALICE-Detektor wurde optimiert, um die Spuren der höheren Kollisionsraten des LHC aufzeichnen zu können.
Eine große Herausforderung sind die enormen Datenmengen, die während der Messungen anfallen. Allein beim zentralen Detektors des Experiments liegen sie im Bereich von Terabyte pro Sekunde. Dieser Datenstrom muss in Echtzeit mit effektiven Mustererkennungsmethoden prozessiert werden, um die gespeicherte Menge der Daten ausreichend reduzieren zu können. Eigens hierzu wurde der Rechencluster EPN (Event Processing Nodes) für das Experiment aufgebaut. Der EPN-Cluster basiert sowohl auf konventionellen Rechenkernen (CPUs) als auch auf speziellen Grafikprozessoren. Die Leitung dieses Projekts liegt bei Volker Lindenstruth, Senior Fellow am FIAS und Professor für die Architektur von Hochleistungsrechnern an der Goethe-Universität.