26. Juli 2022

Rolle des Proteins CD30 zur Früherkennung des Hodgkin-Lymphoms

Auf den Tumorzellen des Hodgkin-Lymphoms sitzt ein Protein (CD30), das ein wichtiger diagnostischer Marker für diesen Krebs ist. Doch CD30 findet sich auch auf seltenen aktivierten Immunzellen. Daher untersuchte ein Team um Martin-Leo Hansmann vom Frankfurt Institute for Advanced Studies (FIAS) und Ralf Küppers (Universitätsklinik Essen) mit Unterstützung der Wilhelm Sander-Stiftung, ob CD30-Zellen in Entzündungsreaktionen Vorstufen der Tumorzellen des Hodgkin-Lymphoms sind und worin sich diese CD30-positiven Zellen unterscheiden. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Entzündungsreaktionen keine Krebsvorstufen sind und dass sich die beiden Arten von CD30-Zellen deutlich darin unterschieden, welche Beziehungen sie zu anderen Zellen im Gewebe unterhalten.

Das Hodgkin-Lymphom ist eine der häufigsten Formen von Lymphdrüsenkrebs, vor allem unter jungen Erwachsenen. Forschende um Prof. Martin-Leo Hansmann aus Frankfurt/Main und Prof. Ralf Küppers aus Essen haben nun weitere Lücken bei der Aufdeckung der Entstehung des Hodgkin-Lymphoms geschlossen. Beim Hodgkin-Lymphom findet sich auf der Zelloberfläche der Krebszellen (der Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen) ein Protein namens CD30 als Signalempfänger. CD30 ist ein zentraler Marker für die genaue Diagnose des Hodgkin-Lymphoms, da ansonsten nur wenige Immunzellen und andere Lymphome CD30 ausprägen. Vor ein paar Jahren wurde zudem eine Therapie entwickelt, bei der Antikörper die Tumorzellen direkt abtöten, indem sie sich an das Protein CD30 binden.

"Wir fragten uns, ob ungewöhnlich große Ansammlungen von ansonsten seltenen CD30-ausgeprägten B-Lymphozyten (weiße Blutzellen) eine Vorstufe des Hodgkin-Lymphoms darstellen können“, erklären Hansmann und Küppers. Das wäre für das Verständnis der Lymphomentstehung und eventuell für eine frühzeitige Diagnose wichtig. "Wir konnten nachweisen, dass dies nicht der Fall ist", so Küppers. Dafür isolierten sie einzelne CD30-positive B-Zellen aus Gewebeschnitten ausgewählter Lymphknoten unter einem Mikroskop mit Hilfe von Laserstrahlern. Anschließend vermehrten sie aus zahlreichen Zellen den Teil des Erbgutes, der die Antikörpergene enthält, und bestimmten die Sequenz der Gene. So konnten die Forschenden erkennen, ob die vermehrten B-Lymphozyten aus verschiedenen Vorläufern gebildet werden, oder ob sie Abkömmlinge einer einzigen Zelle sind. Letzteres ist typisch für ein Lymphom, da jedes Lymphom aus der bösartigen Entartung eines einzelnen Lymphozyten entsteht. Von den untersuchten acht Lymphknoten handelte es sich in keinem der Fälle um CD30 B-Lymphozyten eines einzigen Stammbaums. Damit gibt es keinen Hinweis darauf, dass dies Lymphom-Vorläufer-Strukturen sind. Anscheinend handelt es sich um entzündliche Reaktionen, bei denen viele B-Lymphozyten den Aktivierungsmarker CD30 ausprägen.

Für die wichtige Unterscheidung eines Hodgkin-Lymphoms von einer entzündlichen Reaktion mit vielen CD30 B-Zellen fanden die Forschenden relevante Unterschiede in Bezug auf die Beziehung von reaktiven CD30 B-Zellen und Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen zu anderen Zellen im Mikromilieu der Immunzellen im Gewebe. Normale CD30 B-Zellen und Hodgkin- und Reed-Sternberg-Zellen weisen unterschiedliche Präferenzen bezüglich der räumlichen Nähe zu anderen Zellen in ihrer Umgebung auf.

"Uns interessierte, welche Genveränderungen, also Mutationen, an der Entstehung des Hodgkin-Lymphoms beteiligt sind", so Hansmann. Mit weiteren Kooperationspartner:innen konnten Hansmann und Küppers in einem ersten Teilergebnis zeigen, dass das Gen für einen bekannten Regulator von Genaktivitäten, das BCOR-Protein, in einigen Fällen von Hodgkin-Lymphom durch Mutation seine Funktion verlor. Mit weiteren Untersuchungen zu den Genveränderungen im Hodgkin-Lymphom erhoffen sich die Forscher zukünftig neue Ansatzpunkte für eine zielgerichtetere Therapie dieser Krebserkrankung zu finden.

 

Publikationen: 1. Giefing M, Gearhart MD, Schneider M, Overbeck B, Klapper W, Hartmann S, Ustaszewski A, Weniger MA, Wiehle L, Hansmann ML, Melnick A, Béguelin W, Sundström C, Küppers R, Bardwell VJ, Siebert R (2022), Loss of function mutations of BCOR in classical Hodgkin lymphoma. Leuk Lymphoma; 63:1080-1090

2. Hannig J, Schäfer H, Ackermann J, Hebel M, Schäfer T, Döring C, Hartmann S, Hansmann ML#, Koch I# (2020), Bioinformatics analysis of whole slide images reveals significant neighborhood preferences of tumor cells in Hodgkin lymphoma. PLoS Comput Biol; 16:e1007516, #gemeinsame Seniorautoren

3. Lumer L, Wurzel P, Scharf S, Schäfer H, Ackermann J, Koch I, Hansmann ML (2021), 3D connectomes of reactive and neoplastic CD30 positive lymphoid cells and surrounding cell types. Acta Histochem; 123:151750

4. Wurzel P, Ackermann J, Schäfer H, Scharf S, Hansmann ML, Koch I (2021), Detection of follicular regions in actin-stained whole slide images of the human lymph node by shock filter. Biol Chem; 402:991-999

Abbildung: Detaillierte dreidimensionale Darstellung mehrerer rot markierter CD30-positiver Lymphozyten in einem entzündeten Lymphknoten. Aktinfilamente, die das Gewebe durchziehen, sind zur Abgrenzung grün markiert. Die blaue Färbung markiert andere Zellen. © Martin-Leo Hansmann

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Dreidimensionale Darstellung mehrerer rot markierter CD30-positiver Lymphozyten