16. April 2025

Bioinformatik-Promotion von Michael Ramirez Sierra

KI-Simulationen zu frühen Phasen der embryonalen Entwicklung

Am 11. April 2025 verteidigte Michael Alexander Ramírez Sierra erfolgreich seine Doktorarbeit „Computational Studies on the Optimality of Early Embryonic Cellular Information Processing Strategies“, betreut von den FIAS-Fellows Thomas R. Sokolowski und Franziska Matthäus im Rahmen der Forschungsinitiative Center for Multiscale Modelling in Life Sciences (CMMS).

In seiner Dissertation kombiniert Ramírez Sierra mathematische Modellierung, Computersimulationen, maschinelles Lernen und informationstheoretische Methoden, um zu untersuchen, wie frühe Embryonen (von Maus und Fruchtfliege) die Entwicklung von unterschiedlichen Gewebearten präzise und robust vorantreiben können, obwohl sie dazu stark verrauschte biochemische Zufallsprozesse verwenden müssen.

Durch den Einsatz moderner KI-gestützter Methoden der simulationsbasierten Inferenz zeigt Ramírez Sierra, wie räumlich aufgelöste Genregulation und interzelluläre Kommunikationsmechanismen (z. B. Rückkopplung durch das FGF4-Signalprotein) dazu beitragen, eine robuste und reproduzierbare Zelldifferenzierung zu gewährleisten—etwa bei der Spezifikation der frühen Gewebearten, aus denen später die Placenta und der eigentliche Embryo entstehen. Seine statistische Analyse der frühen Fliegenentwicklung weist daraufhin, dass der Startzeitpunkt der Genexpression entlang der Embryo-Längsachse durch universelle Regulationsmechanismen koordiniert wird. Diese Ergebnisse lassen ein bislang unbekanntes generelles Prinzip vermuten, das möglicherweise allen eukaryotischen Organismen gemeinsam ist.

Ein zentrales Argument der Dissertation ist, dass biologisches Zufallsrauschen in der Embryoentwicklung nicht immer nur schädlich ist, sondern Zellen manchmal sogar dabei unterstützen kann, wesentliche Entwicklungsschritte zu vollziehen. Seine Ergebnisse zeigen, dass Zellen und Gewebe vielfältige Strategien entwickelt haben, um mit diesem Rauschen umzugehen – und es gelegentlich sogar zu ihrem Vorteil nutzen.

Der hohe Grad an Realismus in seinen Modellen und die Kombination dieser mit effektiven Parametrisierungs-Methoden eröffnen den Weg hin zur Implementierung von computergestützten „digitalen Zwillingen“ von sich entwickelnden Embryos. Diese könnten komplett virtuell vorhersagen, wie Veränderungen in der Genexpression oder Signalwegen die Entwicklungsprozesse beeinflussen, und somit das Design von Laborexperimenten wesentlich unterstützen.

Nächste Schritte in der SCALE-Initiative

Im Rahmen der SCALE-Initiative (SubCellular Architecture of LifE) forscht Ramírez Sierra nununter Anleitung von FIAS-Senior-Fellow Roberto Covino an einem neuen Projekt. Hierbei ist das Ziel, unbekannte biophysikalische Parameter der Rezeptor-Dimerisierung anhand von Einzelmolekül-Tracking-Experimenten (Single-Particle Tracking, SPT) aufzudecken. Durch die Generierung eines „digitalen Zwillings“ dieses Systems, der realistische „virtuelle“ SPT-Daten simulieren kann, sowie mithilfe Bayesscher Inferenz, versucht er herauszufinden, wie sich Membranrezeptoren zu funktionellen Signaleinheiten zusammensetzen – ein Prozess, der in direktem Zusammenhang mit zahlreichen Krankheiten steht.

Veröffentlichungen:

•     Ramírez Sierra, M.A., Sokolowski, T.R. (2024). „AI-powered simulation-based inference of spatial-stochastic gene regulation in early mammalian embryos.“ PLoS Computational Biology. Link: https://journals.plos.org/ploscompbiol/article?id=10.1371/journal.pcbi.1012473

•     Ramírez Sierra, M.A., Sokolowski, T.R. (2024). „Comparing AI vs. optimization workflows for spatial-stochastic simulation-based inference in embryonic tissues.“ Machine Learning: Science and Technology. Link: https://iopscience.iop.org/article/10.1088/2632-2153/ada0a3

Weitere Details zu den CMMS-Projekten: https://fias.institute/en/projects/cmms/

Informationen zur SCALE-Initiative: https://scale-frankfurt.org/projects/

Michael Ramirez Sierra