29. November 2022

Verlauf von Grippe-Infektionen vorhersagen

Wenige Tropfen Blut könnten ausreichen, um den Verlauf einer Grippeerkrankung vorherzusagen. Das legt eine Studie des Teams um Esteban Hernandez-Vargas am FIAS nahe, gemeinsam mit Infektiolog:innen des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) in Braunschweig und dem Universitätsklinikum Magdeburg.

An echter Grippe (Influenza) erkranken jedes Jahr weltweit bis zu fünf Millionen Menschen, viele von ihnen sterben. Daher ist es wichtig, die Viruslast in der Lunge und die Immunreaktionen der Patient:innen auf das Virus im Auge zu behalten. Herkömmliche Methoden nutzen beispielsweise die Bestimmung viraler Antigene oder von Entzündungsmarkern aus Abstrichen der Atemwege, sind nicht sehr empfindlich sowie recht aufwändig. Die größte Hürde ist die Probenahme in der Lunge, die für akut infizierte Patienten riskant ist.

Eine nicht-invasive Methode zur Vorhersage des Verlaufs einer Grippe wäre daher eine Erleichterung. Ein Ansatzpunkt ist die veränderte Zusammensetzung von Blutzellen im Verlauf der Grippeerkrankung. Solche Blutwerte sind einfach und schnell zu gewinnen und bereits Routine in der Diagnose und Patientenversorgung.

Die Gruppe von Hernandez-Vargas setzte nun verschiedene Machine-Learning-Modelle ein, um diagnostische Daten aus Blut- und Lungen-Proben zu bewerten, die im Verlauf einer Grippeinfektion in Mäusen gewonnen wurden. Sie nutzten Machine-Learning-Algorithmen, die mehrere Schichten an Informationen verarbeiten können. So können sie die Viruslast und die Immunreaktion in der Lunge (Zytokine und Leukozyten) aus Blutwerten vorhersagen. Umfangreiche Daten für das Training und die anschließende praktische Überprüfung der Modelle stammen aus Infektionsexperimente in Mäusen am HZI. „Wir konnten zudem zeigen, dass bestimmte weiße Blutkörperchen (neutrophile Granulozyten) sowie Blutplättchen (Thrombozyten) eine entscheidende Rolle bei der Vorhersage des Infektionsverlaufs in der Lunge spielen und stark an der Immunantwort gegen Grippeviren beteiligt sind“, erklärt FIAS-Research-Fellow Esteban Hernandez-Vargas.

Die Methode ebnet den Weg zur besseren klinischen Überwachung von Influenza-Infektionen und möglicherweise auch anderen Atemwegsinfektionen auf der Grundlage von Blutwerten. „Eines Tages sind diese Vorhersagen hoffentlich präzise genug für eine wertvolle Hilfestellung zur weiteren Behandlung von Patienten“, so FIAS-Doktorand Suneet Jhutty, einer der beiden Erstautoren der Studie. Künftig könnte möglicherweise jedes Routine-Blutbild auch eine Einschätzung zum Zustand in der Lunge und damit Hinweise auf den Verlauf von Infektionskrankheiten liefern.

„Unsere Studie lässt sich noch nicht vollständig auf den Menschen übertragen, etwa weil anders als im zugrundeliegenden Tierversuch Menschen sich mehr als einmal mit Influenza infizieren können, was den Verlauf der Infektion und die Immunantwort auf das Grippevirus erheblich beeinflusst“, schreibt das Autorenteam aus FIAS-Systembiologie und -Theorie sowie Infektiologie aus Braunschweig und Magdeburg, gefördert von der Deutschen Forschungsgemeinschaft. Weitere Studien sollen klären, wie im Modell die genetische Vielfalt der Patienten nachgeahmt werden kann. „Für eine Übertragung unseres Ansatzes auf den Menschen muss unser Modell noch mit vorhandenen Daten aus kontrollierten experimentellen Infektionen beim Menschen und aus klinischen Studien an Patienten getestet werden“, so Julia Boehme, die zweite Hauptautorin der Studie. Sie hatte die aufwändigen Mausexperimente als Grundlage für die Modellrechnungen durchgeführt.

Jüngste Untersuchungen des Teams weisen darauf hin, dass auch die Diagnose von COVID-19 aus dem Blut möglich sein könnte. „Doch wir benötigen weitere klinische Belege dafür, dass unser auf Machine Learning basiertes Verfahren verallgemeinert werden kann, um die medizinische Versorgung zu verbessern“, erklärt Jhutty.

Publikation: Suneet Singh Jhutty, Julia D. Boehme, Andreas Jeron, Julia Volckmar, Kristin Schultz, Jens Schreiber, Klaus Schughart, Kai Zhou, Jan Steinheimer, Horst Stöcker, Sabine Stegemann-Koniszewski, Dunja Bruder, Esteban A. Hernandez-Vargas, Predicting Influenza A Virus Infection In The Lung From Hematological Data With Machine Learning, mSystems, https://doi.org/10.1128/msystems.00459-22

 

 

 

 

 

 

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